Beginnen wir damit, uns anzuschauen, wie eine Identität entsteht. Eine Identität ist das Gefühl, das wir uns selbst gegenüber haben. Sie beschreibt, wie wir auf uns selbst blicken und uns wahrnehmen. Haben wir eine Kindheit, in der wir uns sowohl von unserer Mutter als auch von unserem Vater geliebt und akzeptiert fühlen, entwickeln wir eine gesunde Identität. Ab einem gewissen Alter entsteht dann ein Selbstbild, das mit unserem inneren Kern im Einklang steht.
Doch was passiert, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind? In solchen Fällen müssen wir unsere Identität von unserem Wesen abspalten. Ein Beispiel: Eine Mutter wünscht sich eine Tochter, bekommt aber einen Sohn. Dieser hat dann oft keine andere Wahl, als sich von seiner eigenen Identität zu entfremden. Er tut dies, weil er seine Identität als Mann mit der Angst verbindet, die Liebe seiner Mutter zu verlieren oder verstoßen zu werden. Dies ist eine emotionale Bedrohung, die für ein Kind oberste Priorität hat.
Es gibt viele ähnliche Beispiele, und die Folgen sind stets dieselben: Der Mensch entwickelt eine gespaltene Identität. Er sucht sein Leben lang nach einem Platz in der Welt, ohne ihn zu finden. Er stellt sich immer wieder die Frage: Wer bin ich?
Viele Menschen leiden heute unter solchen oder ähnlichen Identitätsstörungen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Selbst das klassische „People-Pleasing“ (das zwanghafte Bedürfnis, es anderen recht zu machen) ist im Kern eine Identitätsstörung. Dieses Verhalten basiert auf dem Glauben, man müsse eine bestimmte Rolle erfüllen, um sich das Recht auf Liebe oder gar auf Leben zu verdienen.
Wenn wir solche Muster bei uns erkennen, ist es wichtig, sie bewusst wahrzunehmen und zu hinterfragen. Die Grundlage für ein erfülltes Leben ist, dass wir uns mit uns selbst verbunden fühlen. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn unsere Identität intakt ist und mit unserem wahren Kern übereinstimmt.
Wie aber kann man eine gestörte Identität heilen? Das ist oft eine große Herausforderung. Für viele Menschen scheint es nahezu unmöglich, die Identität anzunehmen, die ihrem wahren Wesen entspricht. In der Kindheit aufgeladene, tief sitzende Emotionen blockieren diesen Prozess und machen es schwer, den Selbstschutz zu durchbrechen.
In solchen Fällen ist es oft notwendig, sich Unterstützung von außen zu holen. Eine einfühlsame Person, die den Kern eines Menschen erkennen kann, hilft dabei, immer wieder auf den Weg zu sich selbst zurückzufinden und mögliche Selbstsabotagen zu erkennen. Wer bereit ist, sich auf diesen Prozess einzulassen und den zugrunde liegenden Emotionen zu begegnen, eröffnet sich jedoch die Möglichkeit, auch solch tiefgreifende Themen zu bearbeiten und zu lösen.

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